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Auch ich bin eine von den Russlanddeutschen...

Hier etwas aus der Geschichte:

Und so klingt meine Muttersprache:


 

Nach Jahren endgültig in Stolberg angekommen Wochenend-Interview mit Spätaussiedlerin Olga Schartner.

Aus Kasachstan nach Deutschland ausgereist. Als Mutter von fünf Kindern heimisch geworden. Stolberg. - Die Angst vor den „Fremden“ zu verlieren geht nur über das Kennenlernen und die Begegnung mit ihnen. Unsere Mitarbeiterin Marie-Luise Otten hat sich mit der Spätaussiedlerin Olga Schartner getroffen, die seit mehr als 18 Jahren mit ihrer Familie in Stolberg wohnt. Davor lebten sie seit Generationen in Osteuropa.

Frau Schartner selbst stammt aus Miloradowka, einem kleinen Dorf in Kasachstan, das 6000 Kilometer von Stolberg entfernt ist. Warum die „Russlanddeutsche“ die von den Familien Schmidt und Wedel 1905 gegründete Siedlung dennoch verlassen hat und nach Stolberg gekommen ist, hat sie im Interview erzählt.

Was hat es mit den Familien Schmidt und Wedel auf sich? Schartner: Es waren Deutsche, die auf Einladung der Ukraine das Land an der Schwarzmeerküste bewirtschaftet hatten. Als alles gut lief und die Deutschen immer reicher wurden, veranlasste die Regierung deren Vertreibung. Die Sowjetunion bot den Menschen in Kasachstan Grundstücke an, die sie jetzt bewirtschaften konnten. Meine deutschen Großeltern waren noch Kinder, als sie 1925 nach Miloradowka kamen. Nach und nach wurden es immer mehr Menschen, und bald bestand die Siedlung aus 60 kleinen Bauernhöfen. Als Selbstversorger arbeiteten die Menschen aber nicht nur auf dem Hof, sondern auch in der Kolchose, dem landwirtschaftliche Großbetrieb in der Sowjetunion mikt, der genossenschaftlich organisiert war und dessen Bewirtschaftung durch das sozialistische Kollektiv der Mitglieder erfolgte. 1976 wurden mehrere Dörfer mit deutschen Bewohnern als deutsche Region anerkannt und Deutsch neben Russisch als Muttersprache ab dem 2. Schuljahr unterrichtet.

Wie sind Sie denn auf die Idee gekommen, nach Deutschland auszuwandern? Schartner: Wir wollten lange nicht. Eine Schwester meines Vaters, eine Baptistin, die sich wegen ihres Glaubens beengt fühlte und frei sein wollte, war Ende 1980 nach Bielefeld gekommen und schwärmte uns von Deutschland vor. Als dann die Sowjetunion 1990 zerbrach, kümmerte sich keiner mehr um die Menschen in Kasachstan. Sie wurden sich selbst überlassen. 1991 wurde Kasachstan unabhängig, Kasachisch wurde als staatliche Sprache in den öffentlichen Einrichtungen gefordert. Da reifte in uns der Gedanke, es den anderen, die das Land schon verlassen hatten, gleich zu tun.

Was war für die Ausreise nötig und wo begann die Reise? Schartner: Eine Schwägerin meines Mannes stellte einen Antrag für unsere Ausreise. Sieben Monate später erhielten wir eine Einladung zum mündlichen Sprachtest, den wir gleich bestanden. Nach knapp einem Jahr bekamen wir im Februar 1999 den Aufnahmebescheid und beantragten die Ausreise und das Visum. Nachdem wir die Ausreisegenehmigung von Kasachstan erhalten und Deutschland die Zusage bezüglich der Reisekosten gegeben hatte, fuhren wir, mein Mann, unsere fünf Kinder im Alter von vier bis elf Jahren und ich, mit dem Bus nach Nowosibirsk. Vom dortigen Flughafen ging die Reise per Flugzeug bis St. Petersburg weiter, wo wir in den Flieger nach Hannover umstiegen.

Was durften Sie mitnehmen? Schartner: Alles das, was in zwei Koffern von jeweils 20 kg passte.

Wie ging es in Hannover weiter? Schartner: Hier wurden wir von unserer Verwandtschaft abgeholt und zur ersten Aufnahmestation nach Hamm in Westfalen gebracht, wo wir den sogenannten „Registrierschein“, das erste offizielle Dokument, das jeder Spätaussiedler erhält, bekamen, nachdem wir die in deutscher Sprache verfassten Geburtsurkunden und Pässe vorgelegt hatten.

Nun waren Sie in Nordrhein-Westfalen, aber noch nicht in Stolberg? Schartner: In Hamm wurden wir gefragt, in welches Bundesland wir weiter wollten. Da alle zehn Geschwister meines Mannes schon in NRW lebten und mit den Gepflogenheiten der Deutschen vertraut waren, war es für uns klar, dass dieses Bundesland auch für uns in Frage kam.

Welche Station kam als nächste? Schartner: Die Erstaufnahme-Einrichtung für NRW war in Unna-Massen. Nach gründlicher Bearbeitung unserer Papiere wurden wir nach dem Bundesvertriebenengesetz §4 als Spätaussiedler, der die Republiken der ehemaligen Sowjetunion nach dem 31. Dezember 1992 des Aufnahmeverfahrens verlassen und innerhalb von sechs Monaten im Geltungsbereich des Gesetzes seinen ständigen Aufenthalt genommen hat, als Deutsche anerkannt.

Wie sah es mit der Anerkennung der zurückgelegten Arbeitszeiten aus? Schartner: Die deutsche Rentenversicherung hat unsere Arbeitsjahre in Kasachstan ebenfalls anerkannt, sodass die Bezüge mit in die Rente einfließen.

Nach Unna-Massen kam Stolberg? Schartner: Ja. Mein Schwager wohnte schon zwei Jahre in Stolberg, nahm sich Urlaub und half uns bei allen wichtigen Dingen. Wir haben wirklich viel Glück gehabt. Wir sind an einem Donnerstag im August 1999 in Stolberg angekommen, wo man uns gleich ein Wohnheim in der Wiesenstraße zuwies. Vier unserer fünf Kinder konnten gleich am Montag danach in die Schule gehen, weil die Sommerferien an diesem Wochenende endeten. Der Jüngste kam in den Kindergarten.

Was haben Sie, die Eltern, gemacht? Schartner: Mein Mann und ich fuhren sechs Monate nach Aachen und nahmen an einem Sprachkurs für Fortgeschrittene teil. Ein Jahr später fand mein Mann eine Arbeitsstelle bei Wimmer. Ich blieb zu Hause und hab’ im Kindergarten mit Übersetzen ausgeholfen, denn wir waren ja nicht die einzigen Spätaussiedler. Parallel dazu habe ich in der Kogelshäuser-Schule mit dem Direktor der damaligen Zeit Förderklassen mit acht Kindern aus der Sowjetunion und fünf anderen aus dem Ausland gestaltet. Als die Firma meines Mannes in Büsbach den Betrieb einstellte, fand er eine Anstellung als Hausmeister in einem evangelischen Kindergarten.

War es schwer für Sie in Stolberg? Schartner: Am Anfang jein. Alles war neu. Doch es gab viel Hilfe. Frau Wartensleben zum Beispiel von der evangelischen Seite sorgte für die nötige Kleidung, und von der katholischen Seite gab es gleich einen Einkaufsgutschein. Als wir nach 1 1/2 Jahren von der Wiesenstraße in eine neue Siedlung an der Jeremias-Hoesch-Straße zogen, wurden wir schnell heimisch.

Wie haben die Stolberger auf Sie reagiert? Schartner (schmunzelt): In Kasachstan wurden wir oft als „deutsche Nazis“ abgestempelt. In Deutschland war es für uns unangenehm, dass sie uns als „Russen“ bezichtigten. Da muss sich wohl auf beiden Seiten noch vieles in den Köpfen ändern.

Ihre Kinder und auch Sie haben alle russische Namen wie Olga, Anna, Iwan, Peter, Viktor und Kornelius. Spielte da der Aspekt des „bösen“ Russen eine Rolle mit? Schartner: Ja, kann man so sagen. Wir wollten das Leben unserer Kinder in Kasachstan so einfach wie möglich gestalten.

Waren Sie noch einmal in Miloradowka? Schartner: Nein, dieses Dorf wurde 2003 aufgelöst. Sie sind also in Stolberg angekommen? Schartner: Ja. Wir haben Kontakt mit allen Menschen. Ich würde sagen, unsere Kinder haben sich hier sogar assimiliert.

Wohnen die Kinder noch bei Ihnen? Schartner: Nein, sie sind bis auf einen, der noch studiert, alle in Lohn und Brot. Zwei leben in Stolberg und die anderen in Aachen.

Wohnen Sie noch auf dem Donnerberg? Schartner: Nein. Die Wohnung wurde uns zu groß. Da haben mein Mann und ich eine kleinere Wohnung in Büsbach gefunden.

Was machen Sie in Ihrer Freizeit? Schartner: Während mein Mann Projekte wie Puppenstuben und Schmuckschatullen aus Holz anfertigt, stricke ich Babysets, Schals, Strümpfe und Pullover. Wir haben uns eine Internetseite (hobbywelt-ods.npage.de) aufgebaut, damit jeder sehen kann, was wir so alles machen.

24.02.2018 / Stolberger Zeitung / Seite 18 / Lokales

 Heute will ich ein paar Videos zeigen. Die sind aufgenommen und kommentiert von Viktor Gerliz im Sommer 2019.

Ich bedanke mich bei dem  für die Videos.

Das ist alles was von meinem Heimatsdorf übrig geblieben ist.


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